Schamanismus – Was wir tun und warum



Da wir in einer nüchternen, verstandesgeprägten Kultur leben, können wir nicht einfach den Schamanismus in den Traditionen indigener Völker voll übernehmen. Wir müssen uns einen eigenen Schamanismusbegriff, eine eigene Definition schaffen. Michael Harner hat dies mit der Entwicklung des "Core-Schamanismus" getan. Er hat alles von nord- und südamerikanischen Schamanen erlernte Wissen sich zu eigen gemacht, dabei auf das für ihn Wesentliche komprimiert und so seine eigene Richtung des Schamanismus begründet ("Der Weg des Schamanen", München 1994). Auch Starr Fuentes tat dies für die Curanderos in der Tradition der Maya, leider gibt es hierzu keine Bücher, nur Kursskripte. Und schließlich Alberto Villoldo ("Die Macht der vier Winde", München 2009, und inzwischen viele andere Bücher). Sie alle haben das mit ihnen geteilte indigene Wissen in ihre Sprache und ihr Denken übersetzt.

Genauso halten wir es. Wir lernen aus den uns zugänglichen Quellen, nehmen an und in uns auf, was uns gewährt wurde, brüten es quasi aus und fassen dann das Ergebnis in eigene Worte, die sich an Menschen aus unserer Kultur richten und von diesen verstanden werden sollen. Dabei bringen wir alles aus verschiedenen Quellen Gelernte auf einen eigenen, neuen und individuellen Nenner. Genau genommen kommt jede von uns so zu ihrem ganz persönlichen eigenen Schamanismusbegriff.

Schamanismus beinhaltet nach unserer Auffassung spirituelle, d.h. in Anbindung an die göttliche Quelle ausgeübte, geerdete Heilungsarbeit. Schamanische Arbeit in unserem Sinne ist immer eigenverantwortlich. Sie ist dem Leben und den kosmischen Gesetzen verpflichtet, auf das höchste Wohl aller ausgerichtet.

Unter diesen Begriff fallen Schamanen aus aller Welt, die aus den entsprechenden Kulturen kommen.

Dieser Begriff umfaßt aber auch viele moderne Menschen westlicher Prägung, denen ihre eigenen schamanischen Wurzeln mehr oder weniger verlorengegangen sind. Sei es, daß sie eigene alte Formen des Schamanismus neu zu beleben versuchen, so wie die Neuen Hexen als Nachfolgerinnen und Neuerfinderinnen der weisen Frauen des Mittelalters oder die neuen Druiden als Nachfolger oder Neuinterpretatoren der alten keltischen Druiden.

Oder seien es Menschen, die die empfundenen Löcher im eigenen Kulturkreis mit importierten und sich zu eigen gemachten Methoden zu stopfen versuchen. Sie arbeiten mit Techniken aus Fernost, beispielsweise mit Reiki oder der Traditionellen Chinesischen Medizin. Andere wiederum widmen sich dem Ayurveda oder der Pranaheilung aus Indien.

Ausdrücklich sind hier auch zu nennen die indianischen Wege aus Nord- und Südamerika – insbesondere der Andine Weg der Inka-Nachfahren, die Lehren der Curanderos als Nachfahren der Maya und Azteken und die Schwitzhütte aus Nordamerika. Und schließlich gehören dazu natürlich auch die Vertreter der Heimat des Schamanismus im ursprünglichen Sinne, die sibirischen Schamanen.

Aber auch in unserer Heimat gibt es geerbte Traditionen, die überlebt haben wie das Besprechen und die Heilenden Hände.

Schamanen in unserem Sinne können alle Arten von Heilern, Energie- und Lichtarbeitern sein, aber auch Ärzte, Heilpraktiker und Krankengymnasten. Schamanische Arbeit nach unserem Verständnis kann aber auch eine Mutter leisten, die Ihr weinendes Kind auf den Arm nimmt, auf die schmerzende Schürfwunde pustet und "Heile, Heile, Segen" singt, dabei ihrem Kind versichernd, der liebe Gott würde das Knie schon wieder heile machen.

Wichtig für jedwede schamanische Heilungsarbeit ist die Absicht, mit dem eigenen Tun eine (Heilungs-) Wirkung zu erzielen, und der Glaube daran, es erfolgreich tun zu können. Ebenso wesentlich ist dabei der Glaube an eine beseelte (Um-) Welt, die Anderswelt, aus welcher der oder dem Handelnden Hilfe zukommt, wann immer der Schamane oder die Schamanin darum bittet.

Von Schamanismus oder auch Schamanentum spricht die traditionelle Völkerkunde, wenn ein Heiler oder eine Heilerin einer Kultur angehört, die Schamanismus oder Schamanentum pflegt. Wir als Angehörige einer Kultur, die solche Praktiken schon vor langer Zeit vergessen hat, können uns schwerlich einfach Schamanen nennen, so lange wir keine traditionelle Ausbildung bei einem indigenen Schamanen bzw. einer indigenen Schamanin durchlaufen haben. Ich, Bärbel, ziehe daher den Begriff "schamanische Beraterin" vor.

Unter angewandtem Schamanismus verstehen wir heilende Energiearbeit unter diesen Vorzeichen: geerdet, mit Anbindung an die göttliche Ebene, zum höchsten Wohle aller und unter Beachtung der kosmischen Gesetze. Dabei ist es unerheblich, ob und von wem diese Arbeit anerkannt wird und wie wir sie im einzelnen nennen. Wichtig ist der "schamanische Geist", der unsere Arbeit durchdringt.


"Das Wesentliche ist dem Auge unsichtbar. Man sieht nur mit dem Herzen gut."
(aus Antoine de Saint-Exupéry: Der Kleine Prinz)


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